Ein bereits seit dem 24.10.2017 bestehendes Urteil des BFH (VIII R 13/15) widerspricht der bisherigen Auffassung der Verwaltung, wonach ein Forderungsausfall von Kapitalvermögen keine Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG darstellt. Dem schlossen sich weitere Urteile des BFH an (X R 9/17 vom 09.07.2019, VIII R 18/16 vom 06.08.2019).
Das BFH begründet seine Meinung damit, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Abgeltungsteuer eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreichen wollte. Da er damit die quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene aufgegeben hat, ist ein endgültiger Ausfall einer Kapitalforderung nunmehr als steuerlich relevanter Verlust zu sehen. Der Gesetzgeber plante, im sog. „Jahressteuergesetz 2019“ eine Ergänzung in § 20 Abs. 2 um einen Satz 3 einzuführen, welche regeln soll, dass insbesondere der durch den Ausfall einer Kapitalforderung oder die Ausbuchung einer wertlosen Aktie entstandene Verlust steuerlich unbeachtlich ist. Jedoch hat sich der Bundesrat dagegen ausgesprochen.
Mit dem am 29.11.2019 beschlossenen Jahressteuergesetz 2019 wurde dieser Entwurf tatsächlich gestrichen.
Stattdessen wurde sehr versteckt im Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen im Bereich des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG festgelegt, dass derlei Verluste und die Ausbuchung wertloser Aktien nunmehr bis zu einer Höhe von EUR 10.000,00 pro Jahr abzugsfähig sein sollen. Außerdem dürfen Verluste aus Termingeschäften nur noch mit Gewinnen aus Termingeschäften sowie Einnahmen aus Stillhaltergeschäften verrechenbar sein, darüber hinaus sind sie ebenfalls nur bis EUR 10.000,00 abzugsfähig. Diese Regelung gilt für Verluste, die nach dem 31.12.2019 entstehen (§ 52 Abs. 28 S. 24 EStG). Damit gesteht der Gesetzgeber zumindest zu, dass der Ausfall von Forderungen von Kapitalvermögen dem Grunde nach als Veräußerung anzusehen ist. Jedoch wurden die oben genannten Urteile des BFH bis heute weder im Bundessteuerblatt noch im Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer veröffentlicht. Dem Vernehmen nach plant die Finanzverwaltung, die für die Steuerpflichtigen günstigere Rechtsprechung für die Jahre bis einschließlich 2019 anzuerkennen, daher ist dies weiter zu beobachten.
Zudem entstehen durch die Regelung des Gesetzgebers neue Problemfelder:
- Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, da der Verlustabzug massiv eingeschränkt wurde, Gewinne aus Kapitalvermögen aber weiterhin uneingeschränkt besteuert werden.
- Sie konkurriert, soweit Gesellschafterdarlehen betroffen sind, mit dem ebenfalls im Jahressteuergesetz 2019 neu geschaffenen § 17 Abs. 2a EStG und gleichsam mit § 20 EStG. Somit scheinen wohl § 17 Abs. 2a EStG und § 20 EStG nebeneinander anwendbar zu sein.
- Eine Anpassung des Kapitalertragsteuerabzugs in § 43a Abs. 2 S. 2 EStG erfolgte bisher nicht.
Folgende Revisionsverfahren bleiben weiterhin für vor dem 01.01.2020 entstandene Verluste von Bedeutung:
- FG Düsseldorf, Urteil vom 18.07.2018 (7 K 3302/17 E, Revision VIII R 28/18) bezüglich der Fragestellung, ob ein endgültiger Ausfall der Forderung in dem Jahr zu berücksichtigen ist, in dem der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit anzeigt
- diverse Entscheidungen zum Ausfall eines vor 2009 begründeten Gesellschafterdarlehens
- FG Münster, Urteil vom 12.03.2018 (2 K 3127/15 E, Revision IX 9/18) bezüglich der Fragestellung, ob der Verlust aus einem Forderungsverzicht bei einem Gesellschafterdarlehen als steuerlich im Rahmen der Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen ist
- diverse Entscheidungen im Zusammenhang mit wertlosen Aktien