Aufgrund des Urteils vom 17.12.2014 des Bundesverfassungsgerichts, das Teile des reformierten Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes als verfassungswidrig qualifizierte, musste der Gesetzgeber eigentlich bis zum 30.06.2016 eine neuerliche Reform durchführen. Seither gab es weiterhin Meinungsverschiedenheiten und erst im Vermittlungsausschuss des Bundesrates wurde am 21.09.2016 nach mehrstündiger Beratung eine Einigung erzielt.
Die Neuregelungen sind kurz skizziert wie folgt:
1. Verwaltungsvermögen (und Rückausnahmen dazu)
Im neuen Recht ist Verwaltungsvermögen grundsätzlich nicht mehr von der Besteuerung ausgenommen, da prinzipiell nur das um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzte Betriebsvermögen die Basis für die Anwendung der steuerlichen Verschonungsregelungen bildet. Hierbei wurde die Definition dessen, was zum steuerschädlichen Verwaltungsvermögen gehört, im Wesentlichen aus der bisherigen Rechtslage übernommen. Gleichwohl gibt es nach der Neuregelung auch wieder Rückausnahmen, die nachstehend beschrieben sind:
• Wirtschaftsgüter, die eigentlich Verwaltungsvermögen darstellen und die ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Altersvorsorgeverpflichtungen (also z.B. Pensionszusagen) dienen, werden bis zum Wert der entsprechenden Passivpositionen (also z.B. Pensionsrückstellungen) nicht als Verwaltungsvermögen behandelt.
• Wirtschaftsgüter, die der Sicherung langfristiger Absatzverträge dienen (z.B. verpachtete Gaststättengrundstücke eines Bierverlags), zählen nicht zum Verwaltungsvermögen.
• Die Unschädlichkeitsgrenze bei Zahlungsmittelbeständen, Forderungen etc. wurde von bislang 20% des Unternehmenswerts auf nunmehr noch 15% des Unternehmenswerts reduziert. Im Übrigen müssen diese Mittel einem originär gewerblich oder land- und forstwirtschaftlich tätigen Unternehmen dienen, hier sind Diskussionen vorprogrammiert.
• Die Definition nicht begünstigter Kunstgegenstände wurde erweitert formuliert, damit Gegenstände mit privater Verwendungsmöglichkeit, wie z.B. Oldtimer künftig zum schädlich Verwaltungsvermögen zählen.
• Schließlich erfolgt eine Kürzung des nach obigen Grundsätzen ermittelten schädlichen Verwaltungsvermögens um pauschal 10% des angepassten Betriebsvermögenswertes. Dieser angepasste Betriebsvermögenswert ist der gemeine Wert des Betriebsvermögens abzüglich des gesamten Nettoverwaltungsvermögens. Damit soll nach Willen des Gesetzgebers dem Umstand Rechnung getragen werden, dass jeder Betrieb zwangsläufig über eine gewisse Menge Verwaltungsvermögen verfügt. Der vorgenannte letzte Schritt erfolgt einmalig übergreifend im Sinne einer konsolidierten Betrachtung aller Gesellschaften, falls eine mehrstufige Beteiligungsstruktur vorliegt.
Die Ermittlung des Verwaltungsvermögens erfolgt bei allen vorgenannten und auch nachfolgend beschriebenen Schritten stets auf einer konsolidierten Basis, d.h., es wird eine Zusammenfassung des Vermögens auch über verschiedene Rechtsträger hinweg vorgenommen.
Neu ist, dass eine Transformationsmöglichkeit von „schlechtem“ Verwaltungsvermögen in „gutes“ Betriebsvermögen geschaffen wurde. Dies kommt zur Anwendung, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Erbfalls im Unternehmen befindliches Verwaltungsvermögen genutzt wird, um damit eine nach dem vorgefassten Plan des Erblassers vorgesehene Investition zu tätigen oder damit saisonal schwankende Einnahmen auszubalancieren.
2. Verschonungsregelungen (85% Regelverschonung / 100% Vollverschonung)
Wie bislang haben die Steuerpflichtigen die Wahl zwischen der Regelverschonung mit 85%iger Steuerfreistellung und einer 100%-Vollverschonung unter Inkaufnahme härterer Anforderungen dafür.
Da Verwaltungsvermögen entsprechend der vorstehenden Ausführungen grundsätzlich ohnehin nicht steuerverschont übertragen werden kann, entfällt für die Regelverschonung künftig eine Grenze für schädliches Verwaltungsvermögen. Für die Anwendung der Vollverschonung ist künftig Voraussetzung, dass das Verwaltungsvermögen weniger als 20% des Unternehmenswertes beträgt.
Sofern allerdings das Verwaltungsvermögen mehr als 90% des Unternehmenswertes ausmacht, wird keine Verschonung gewährt.
3. Lohnsummenregelung
Wie nach bisherigem Recht hängt die Verschonung auch von der Einhaltung von Lohnsummenkriterien ab. Bislang griff das Erfordernis der Beibehaltung bestimmter Mindestlohnsummen erst ab 20 Arbeitnehmern, was das BVerfG insbesondere bemängelt hat, weil dadurch weit über 80% aller Unternehmen aus dem Erfordernis herausfallen. Daher werden künftig bereits Unternehmen mit mehr als 5 Arbeitnehmern die Lohnsummenkriterien einhalten müssen.
4. Begrenzung bei Unternehmenswertermittlung
Im Rahmen der Unternehmenswertermittlung besteht die Option, das sogenannte „vereinfachte Ertragswertverfahren“ zu wählen. Im Zuge der Reform wurde das Verfahren strukturell unverändert beibehalten, jedoch wurde der anzuwendende Kapitalisierungsfaktor („multiple“) nunmehr auf das 13,75-fache des Durchschnittsgewinns im Sinne von § 199ff BewG festgelegt. Da der Faktor weit über den in der mittelständischen Wirtschaft liegenden mulitiples liegt, wird das Verfahren wohl auch in Zukunft nur in ertragsschwachen Ausnahmefällen angewendet.
5. Steuerverschonung bei Großunternehmen
Da das BVerfG kritisiert hatte, dass die Verschonungsregelungen unabhängig jeglicher Bedürftigkeit des Erwerbers gewährt werden, sind die vorgenannten Regeln uneingeschränkt nur auf Erwerbe von begünstigtem Vermögen bis zu EUR 26 Mio. anwendbar. Dabei sind Erwerbe innerhalb von 10 Jahre vor dem betreffenden Erwerb zusammenzurechnen, die ein Erwerber von derselben Person erhalten hat.
Soweit die Grenze von EUR 26 Mio. überschritten ist, kommt bis zu einer Schwelle von EUR 90 Mio. das sogenannte „Abschmelzungsmodell“ zum Tragen, hier sinkt der Verschonungsabschlag vom Ausgangswert (Regelverschonung 85% / Optionsverschonung 100%) um 1% je 750.000,00 €, die der Wert des übergehenden begünstigten Betriebsvermögens übersteigt. Ab einer Wertgrenze von 90,00 Mio. € greift auch das Abschmelzungsmodell nicht mehr.
Als letzte Alternative bei Großerwerben jenseits der obigen 90 Mio.€, aber auch fakultativ zum Abschmelzungsmodell, erfolgt nunmehr eine Verschonungsbedarfsprüfung. Auch diese erwuchs aus der Forderung des BVerfG, dass für große Vermögen eine individuelle Bedürftigkeitsprüfung erfolgen muss. Die Neuregelung ordnet an, dass die auf begünstigtes Vermögen entfallende Steuer auf Antrag soweit zu erlassen ist, wie der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer auf den Erwerb aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen.
Dabei zählt zum verfügbaren Vermögen die Hälfte der Summe des Werts
• des mit Erbschaft oder Schenkung übergegangenen Vermögens und des beim Erwerber bereits vorhandenen Vermögens,
soweit diese Werte nicht begünstigtes Vermögen im Sinne der obigen Ausführungen darstellen. Im Erlassfall hat der Erwerber dieselben Voraussetzungen einzuhalten, die auch für die Regelverschonung gelten. Zudem sind auch Erwerbe, die in den auf den Erwerb folgenden 10 Jahren stattfinden, wiederum im Rahmen einer auflösenden Bedingung zu berücksichtigen.
Für Familienunternehmen mit Kapitalbindung kann ein bis zu 30%-iger Wertabschlag auf den Unternehmenswert, der die Basis für die obigen Wertschwellen 26 Mio.€ / 90 Mio. €) bildet, erfolgen. Voraussetzung ist, dass im Gesellschafts- oder Übergabevertrag
• Entnahmen bzw. Gewinnausschüttungen auf maximal 37,5% des
Nachsteuergewinns begrenzt sind, im Ausscheidensfall Abfindungen unter dem Marktwert der Beteiligung vorgesehen sind und Verfügungsbeschränkungen über das Unternehmen bzw. die Gesellschaftsanteile auf Mitgesellschafter, Angehörige oder Familienstiftungen bestehen.
6. Stundungsmöglichkeit
Die Stundung der auf den Erwerb entfallenden Steuer kann für bis zu 7 Jahre beantragt werden. Allerdings ist nur 1 Jahr zinsfrei, danach sind die „normalen“ steuerlichen Zinsen in Höhe von 6% p.a. zu entrichten. Einzige Voraussetzung der Stundung ist, dass die Voraussetzungen der Regelverschonung hinsichtlich Lohnsumme und Behaltefristen eingehalten werden.